Aufklärung und Religion gelten oft als Gegensätze. Dabei wird verkannt, dass sich viele Hauptvertreter:innen der Aufklärung im 17. und 18. Jahrhundert ernsthaft um neue Deutungen der Religion bemühten. Sie strebten nicht danach, den Sinngehalt der Religion aufzulösen. Es ging ihnen vielmehr darum, Religion für die Entwicklung zu einem eigenen Wesen zu befreien. Dass staatliche und kirchliche Institutionen diesen Intentionen Widerstand entgegensetzten, ist ausführlich dargestellt worden. Im Gegenzug wurde der Aufklärung ein utopisches Potential zugesprochen, das sich im Glauben an die Selbstentfaltung der Vernunft in der Geschichte konzentrierte. Heute nach über 200 Jahren ist der Begriff “Aufklärung” immer noch gegenwärtig und zwar in einer Vieldeutigkeit, in der er zur blossen Information, zur Epochenbezeichnung oder zu einem konfusen Mythos zu verkommen scheint.
Was aber ist Aufklärung?
Die Sätze Kants sind wohlfeil geworden. Sie werden als Appelle an das Selbstdenken und an das subjektive Mündigwerden verstanden, ungeachtet der Tatsache, dass Kants Unternehmung eine umfassende Hermeneutik der Vernunft oder des Erkennens überhaupt darstellt. Es handelt sich um einen Vernunftgedanken, der über unser heutiges Verständnis von Rationalität und Denkfähigkeit hinausgeht. Nicht unterschlagen soll aber werden, dass in der westlichen, griechisch-jüdischchristlichen Tradition eine nicht zu verkennende Tendenz zur vernunftgeleiteten Aufklärung immer latent war. Gegensatz und Zusammenklang von Aufklärung und Religion soll das Thema der Tagung sein, historisch und in aktueller Gegenwart.