Grundwerte der Aufklärung werden heute hochgehalten und unisono verteidigt, wenn
sie angegriffen werden: so auch im Januar 2015 bei den Anschlägen auf Charlie Hebdo, als
es um die Meinungsfreiheit ging. Zweierlei Problembereiche prägen die Grundsatzdebatte
heute und sind neu zu überdenken: Erstens wird die Aufklärung historisch wie
philosophisch oft noch als Einheit missverstanden. Dadurch wird sie auf festgeschriebene
Errungenschaften reduziert, nämlich auf Grundsätze der Amerikanischen und Französischen
Revolution – als Kulminationspunkt der Epoche – und auf eine reine Rationalisierung
des Menschen- und Wissenschaftsbilds, das – aus dem Blickwinkel Horkheimer/
Adornos – in sein Gegenteil kippt. Zweitens wird die Aufklärung durch die doppelte
Reduktion zur Anschauungs- und Meinungsfrage degradiert. Die auf der Aufklärung
basierenden Grundwerte werden im pluralistischen Konzert wieder – erstarkender
Religions- und Individualisierungskonzepte kulturalistisch relativiert und zurückgestutzt
auf eine Weltsicht unter vielen, welche entweder in komplementärer Konkurrenz
zueinander stehen oder sogar zum beitragen. Damit wird zwar
der Virulenz der Aufklärung heute weiterhin Beachtung geschenkt, doch ihrem vielstimmigen
universalistischen und gerade nicht vereinheitlichenden Anspruch in keinerlei
Weise Rechnung getragen.